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Gericht entscheidet bei Kündigung zugunsten des Arbeitgebers

Matthias Wiese • Aug. 28, 2022

Der Wiese und Kollegen Rechtsanwälte in Erfurt Blog heute zum Thema:



Gericht entscheidet bei Kündigungschutzklage zugunsten des Arbeitgebers


Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt (BAG) hat sich nach erfolgreichem Kündigungsschutzprozesses durch den Arbeitnehmer wiederholt mit Fragen des Annahmeverzugslohns befasst.

 

Mit Urteil vom 19. Januar 2021 (BAG, Urteil vom 19. Januar 2022 – 5 AZR 346/21 –, juris; s. a. FD-ArbR 2022, 449728, beck-online) hat es u.a. folgende Rechtssätze aufgestellt:


  1. Der Annahmeverzug des Arbeitgebers ist ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer nicht leistungsfähig oder nicht leistungswillig ist.
  2. Wird die Arbeitsleistung unter Berufung auf ein nicht wirksam geltend gemachtes Zurückbehaltungsrecht vom Arbeitnehmer nicht erbracht, ist dies i. d. R. als Indiz für den fehlenden Leistungswillen anzusehen (vgl. § 297 BGB).
  3. Die Sozialwidrigkeit einer Kündigung hat nicht zwingend die Unzumutbarkeit der Weiterarbeit zu geänderten Bedingungen zur Folge (vgl. § 11 Nr. 2 KSchG).
  4. Wenn sich ein Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess auf die Möglichkeit der Zuweisung einer aus seiner subjektiven Sicht zumutbaren Tätigkeit als ein die Kündigung ausschließendes milderes Mittel beruft, ist es ihm im Annahmeverzugsprozess i. R. v. § 11 Nr. 2 KSchG gem. § 242 BGB regelmäßig verwehrt, die objektive Unzumutbarkeit einer entsprechenden Tätigkeit geltend zu machen.


Sachverhalt zur Entscheidung

In einem vor dem Bundesarbeitsgericht entschiedenen Rechtsstreit stritten die Arbeitgeberin (im Nachstehenden Beklagte genannt) sowie die Arbeitnehmerin (im Nachstehenden Klägerin benannt) noch um die Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Zeit des erfolgreichen Kündigungsschutzprozesses (a. a. O.).

 

Die Klägerin war als Marketing- und Projektmanagerin bei der Beklagten beschäftigt, bevor diese zwei Kündigungen aussprach und seit September 2017 auch keine Vergütung mehr an die Klägerin zahlte. Diese Kündigungen wurden mit entsprechenden arbeitsgerichtlichen Urteilen als unwirksam erklärt (a. a. O.).

 

Im Gütetermin des ursprünglichen Kündigungsschutzverfahrens in der ersten Instanz berief sich die Klägerin auf den Vorrang einer Änderungskündigung bzgl. einer zeitgleich bei der Arbeitgeberin inserierten Stelle als Servicekraft. Die Beklagte bot der Klägerin daraufhin eine Beschäftigung als Servicekraft an, welche die Klägerin jedoch ablehnte (a. a. O.).

 

Nach Verkündung des Urteils in zweiter Instanz, welches ebenso dem Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin stattgab, bot die Beklagte eine Prozessbeschäftigung als Frühstückskraft/Zimmermädchen an (a. a. O.). Dies lehnte die Klägerin jedoch ebenfalls ab (a. a. O.).

 

Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung unterbreitete die Beklagte der Klägerin sodann das Angebot einer Beschäftigung zu unveränderten Bedingungen. Die Klägerin wies dies jedoch nun unter Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht an ihrer Arbeitsleistung - aufgrund ausstehender Vergütung wegen des Annahmeverzugs seit September 2017 - ab (a. a. O.). Die Klägerin bezog während des Rechtsstreits zeitweise (im Verfahren nicht näher beziffertes) Arbeitslosengeld (a. a. O).

 

Das LAG bejahte die Annahmeverzugslohnansprüche (a. a. O.).


Inhalt der Entscheidung des BAG

Das Bundesarbeitsgericht bestätigte zwar, dass der Annahmeverzug der Beklagten durch die von ihr der Klägerin angebotenen Beschäftigungen nicht beendet wurde (a. a. O.). Der Annahmeverzug der Beklagten habe aber mit dem Wegfall des Leistungswillens der Klägerin geendet (a. a. O.).

 

Von fehlendem Leistungswillen sei mit der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts auszugehen (a. a.O.). Die Klägerin habe das Zurückbehaltungsrecht nicht wirksam ausgeübt (a. a. O.). Dies sei i. S. v. § 297 BGB ein Indiz für tatsächlich fehlenden Leistungswillen (a. a. O.). Für die wirksame Ausübung hätte die Klägerin den geltend gemachten Anspruch exakt beziffern müssen, was auch die Angabe der auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Ansprüche voraussetze (§ 115 Abs. 1 SGB X) (a. a. O.). Die Beklagte sei so nicht in die Lage versetzt worden, den geforderten Betrag genau zu bestimmen und die Forderung zu erfüllen (a. a. O.).


 

Außerdem sei auch in dem widersprüchlichen Verhalten der Klägerin ein hinreichendes Indiz für deren fehlenden Leistungswillen zu sehen. Sie bot zwar zunächst ihre Arbeitskraft unter Bezugnahme auf den „notfalls vollstreckbaren“ Weiterbeschäftigungsanspruch an, hielt jedoch diesem Angebot unmittelbar ein Zurückbehaltungsrecht entgegen (a. a. O.).

 

Überdies müsse sich die Klägerin gem. § 11 Nr. 2 KSchG den anderweitigen Verdienst als Servicekraft aufgrund ebenso widersprüchlichen Verhaltens anrechnen lassen (a. a. O.). Sie habe es böswillig unterlassen, eine nach ihrem eigenen (ursprünglichen) Vortrag zumutbare Arbeit anzunehmen (a. a .O.). Noch im Gütetermin habe sie sich auf den Vorrang der Änderungskündigung in Bezug auf eben diese Stelle berufen, welche sie als zumutbar bezeichnete (a. a. O.). In der späteren Zurückweisung dieser somit subjektiv zumutbaren Tätigkeit habe sich die Klägerin widersprüchlich verhalten (a. a. O.). Das vorausgehende Urteil des Landesarbeitsgerichts verkenne insofern, dass nicht vertragsgemäße Arbeit nicht ohne Weiteres mit unzumutbarer Arbeit gleichzusetzen sei (a. a. O.).


Rechtliche Bewertung


Der vorliegende Sachverhalt und das Urteil des Bundarbeitsgericht belegen die - vielfältigen - „Fallstricke“ für Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Zusammenhang mit dem Lohnzahlungsanspruch nach erfolgreichem Kündigungsschutzverfahren und entsprechend ausgeurteiltem prozessualen Weiterbeschäftigungsanspruch.

 

Zwar kann der Arbeitnehmer sich in vielen Fällen durchaus auf den Anspruch auf Vergütung bei Annahmeverzug i. S. d. § 615 BGB stützen. Insbesondere bleibt es auch nach der hier besprochenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts dabei, dass unzumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten/-angebote den Vergütungsanspruch grundsätzlich nicht hindern.

 

Klargestellt wurde nun höchstrichterlich, dass der subjektive Horizont des Arbeitnehmers - bezüglich der Zumutbarkeit der prozessualen Weiterbeschäftigung - im Zusammenhang mit eventuell widersprüchlichem Verhalten auch dazu führen kann, dass eigentlich nicht den vertraglichen Gegebenheiten entsprechende Arbeit als „zumutbar“ im Sinne der Vorschrift angesehen werden kann.

 

Daher ist betroffenen Arbeitnehmern zu raten, im Rahmen der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts unbedingt Vorsicht walten zu lassen. Schließlich gebietet § 615 BGB, dass böswillig unterlassener (zumutbarer) anderweitiger Erwerb generell auf betr. Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers anzurechnen ist.



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