Kann der Arbeitnehmer auf den (Mindest-)Urlaub durch vertragliche Vereinbarung verzichten?

Matthias Wiese • 30. Juni 2025

BAG-Urteil 2025: Kein wirksamer Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub im Vergleich



Verzicht auf Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses?

Darf ein Arbeitnehmer im Vergleich auf seinen gesetzlichen Mindesturlaub verzichten? Diese Frage stellt sich häufig bei einvernehmlichen Beendigungen von Arbeitsverhältnissen. Besonders relevant wird sie, wenn eine Abfindung vereinbart wird und dabei Urlaubsansprüche ausgeschlossen werden sollen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt hat hierzu in einem aktuellen Urteil vom 3. Juni 2025 (9 AZR 104/24) klar Stellung bezogen: Ein Verzicht auf gesetzliche Mindesturlaubsansprüche ist unzulässig – selbst im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs (vgl. BAG-Pressemitteilung Nr. 23/25 vom 3.6.2025; FD-ArbR 2025, 809514, beck-online).

Sachverhalt: Urlaubsanspruch trotz Abfindungsvergleich

Der Entscheidung lag der Fall eines Arbeitnehmers zugrunde, der mehrere Jahre als Betriebsleiter tätig war. Anfang 2023 erkrankte er und war bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses im April 2023 durchgehend arbeitsunfähig. Der ihm zustehende anteilige Mindesturlaub konnte daher nicht genommen werden.

Die Parteien einigten sich auf eine Abfindung von 10.000 €, begleitet von einer Kündigung durch den Arbeitgeber. Im Vergleich hieß es, dass „Urlaubsansprüche in natura gewährt“ seien – was de facto einen Verzicht auf Abgeltung bedeutete. Obwohl der Anwalt des Klägers vorab auf die Unzulässigkeit eines solchen Verzichts hinwies, stimmte der Kläger unter Vorbehalt dennoch dem Vergleich zu.

Urteil des BAG: Keine Umgehung des Mindesturlaubs durch Vergleich

Der Kläger verlangte später die Abgeltung von sieben offenen Urlaubstagen i.H.v. 1.615,11 € zzgl. Zinsen – mit Erfolg. Das BAG entschied, dass der in dem Vergleich erklärte Verzicht unwirksam sei.

Wichtige rechtliche Grundlagen:
  •     § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG): Anspruch auf Urlaubsabgeltung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
  •     § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG: Verzicht auf gesetzlichen Mindesturlaub ist unzulässig.
  •     § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Rechtsfolge der Nichtigkeit bei Verstößen gegen gesetzliche Verbote.
Selbst ein gerichtlicher Vergleich kann einen gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch nicht ausschließen. Ein solcher Ausschluss ist nichtig. Auch ein vermeintlicher Tatsachenvergleich liegt hier nicht vor, da unstreitig feststand, dass dem Kläger der Urlaub wegen Krankheit zustand.

BAG zur Treuwidrigkeit: Arbeitgeber dürfen nicht auf Unwirksamkeit vertrauen

Das Argument der Arbeitgeberin, der Kläger dürfe sich nach Treu und Glauben nicht auf seinen Urlaubsanspruch berufen, ließ das Gericht nicht gelten. Arbeitgeber dürfen nicht auf die Wirksamkeit klar rechtswidriger Klauseln vertrauen. Der Verzicht auf Mindesturlaub bei Krankheit und Vergleich ist also auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen.

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