Vorgriffsstunden für Lehrer rechtswidrig? Verordnung in Sachsen-Anhalt unwirksam!
Matthias Wiese • 28. Oktober 2025
Vorgriffsstunden für Lehrer rechtswidrig? Verordnung in Sachsen-Anhalt unwirksam!
Das Bundesverwaltungsgericht hat die umstrittene Regelung zur sog. Vorgriffsstundenverpflichtung für Lehrkräfte in Sachsen-Anhalt für unwirksam erklärt (s. BVerwG 2 CN 1.24 - Urteil vom 04. September 2025; BVerwG-Pressemitteilung Nr. 63/2025 vom 04.09.2025).
Die Antragsteller – eine verbeamtete Lehrerin und ein angestellter Lehrer – hatten sich mit ihren Normenkontrollanträgen gegen eine in der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen (ArbZVO-Lehr LSA) geregelte Verpflichtung für Lehrkräfte in Sachsen-Anhalt gewandt, über fünf Jahre hinweg wöchentlich eine sog. Vorgriffsstunde zu leisten. Die sog. Vorgriffsstunde, die in der Verordnung unabhängig von einer etwaigen Teilzeitbeschäftigung (und deren etwaiger Quote) angeordnet ist, muss später durch Freizeit oder zeitnah auf Antrag der Lehrkräfte durch eine Ausgleichszahlung ausgeglichen werden. Das Oberverwaltungsgericht hatte die Normenkontrollanträge der Lehrer noch abgelehnt.
Das BVerwG hat die Regelung in § 4b ArbZVO-Lehr LSA auf die Revision der Kläger nun wegen Fehlens einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage und Verstoßes gegen den gemeinschaftsrechtlichen "pro-rata-temporis-Grundsatz" für unwirksam erklärt und aufgehoben. Die Ermächtigung des § 63 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes Sachsen-Anhalt (LBG LSA) reiche nach dem Urteil des BVerwG nicht aus, insbesondere weil die Möglichkeit einer finanziellen Abgeltung über die vorgesehene Ermächtigung hinausgehe. Zudem sei die Regelung auch inhaltlich rechtswidrig, da sie keinen Ausgleich für z. B. krankheitsbedingt ausgefallene Vorgriffsstunden vorsieht und die Verpflichtung zur Leistung einer zusätzlichen Stunde unabhängig von der Teilzeitbeschäftigung gegen den "pro-rata-temporis-Grundsatz" verstößt und daher unionsrechtlich bedenklich ist.
Der Entscheidung des BVerwG ist vollumfänglich zuzustimmen, wenngleich der Rechtsstreit das "eigentliche Problem", nämlich die sich gemeinschaftsrechtlich (und aus Sicht des BAG auch national aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ) ergebende Pflicht des Dienstherrn/Arbeitgebers zur Erfassung der konkreten/effektiven/objektiven Arbeitszeit auch für Lehrkräfte i. Erg. - zumindest nach der Pressemitteilung des BVerwG noch -"ausblenden" konnte.
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Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat am 7.3.2024 im Falle eines wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Polizeibeamten im Saarland entschieden, dass die finanzielle Abgeltung der von ihm geleisteten Mehrarbeit (im Umfang von 205 Mehrarbeitsstunden) nach § 78 Abs. 3 SBG nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist.

Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (OVG Magdeburg) hatte sich kürzlich mit der Antwort auf diese Frage in zwei Normenkontrollverfahren im Rahmen seiner Urteile vom 7.3.2024 zu beschäftigen (OVG Magdeburg, Urteile vom 7.3.2024 – 1 K 66/23, 1 K 67/23). Demnach müssen Lehrkräfte in Sachsen-Anhalt sich damit anfreunden, dass sie in den nächsten Jahren pro Woche eine zusätzliche Pflichtstunde abhalten müssen - die Regelung in der Arbeitszeitverordnung zur sogenannten „Vorgriffsstunde“ sei rechtens, so das OVG Magdeburg (vgl. FD-ArbR 2024, 806745, beck-online; s. a. OVG Sachsen-Anhalt, PM 3/2024 vom 07.03.2024).

Ist es möglich, seinen Bewerberverfahrensanspruch bei Vergabe von (Tarif-)Stellen im öffentlichen Dienst auch noch dann gerichtlich mit Aussicht auf Erfolg geltend zu machen, wenn der öffentliche Dienstherr/Arbeitgeber ohne Einhaltung einer adäquaten Wartefrist bereits einen Arbeitsvertrag mit einem Mitbewerber geschlossen hat? Wie muss im Falle der Wiederholung einer Auswahlentscheidung bzw. eines Auswahlverfahrens im öffentlichen Dienst die Stelle freigemacht werden?







