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Wann ist ein Dienstunfall beamtenrechtlich anzuerkennen?

Matthias Wiese • Mai 13, 2020

Wann wird ein Dienstunfall beamtenrechtlich anerkannt und wann handelt es sich bei einem erlittenen Körperschaden um eine Unfallfolge?

Damit hat sich das BVerwG im Urteil vom 12.12.2019 (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2019 – 2 A 1/19 –, juris) beschäftigt.

Was ist ein Dienstunfall?

Zunächst fragt sich: Was ist ein Dienstunfall? Die Beantwortung folgt aus dem jeweils einschlägigen Beamtenversorgungsrecht.
Z.B. in Thüringen ist hierzu in § 26 Abs. 1 ThürBeamtVG geregelt, dass ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis ist, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.
Zum Dienst gehören u.a. auch Dienstreisen und Aus- oder Fortbildungsreisen, die Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen und ggf. bestimmte Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst bzw. im Zusammenhang mit den Dienstgeschäften.
Vergleichbare Regelungen enthalten die Beamtenversorgungsgesetze des Bundes (vgl. § 31 Abs. 1 BeamtVG) und anderer Länder.

Sachverhalt und Urteil des BVerwG

In dem Verfahren zu der o.g. Entscheidung des BVerwG ging es um die Anerkennung eines Dienstunfalls eines (seit 2017 auf seinen Antrag im Altersruhestand befindlichen) Beamten beim BND (a.a.O.). Dieser war zuvor mehrfach im Ausland (u.a. 2004-2006 im Irak, 2011 für einige Wochen in Pakistan und 2013-2016 in Afghanistan) eingesetzt (a.a.O.).

Während seines Auslandsaufenthalts im Irak wurde im November 2004 seine Unterkunft beschossen (a.a.O.). Dabei sei er auch von den Angreifern beschossen worden und habe zurückgeschossen (a.a.O.). Im Anschluss entwickelte der Kläger Schlafstörungen, verlor wegen Appetitlosigkeit stark an Gewicht, zog sich nach der Rückkehr 2006 sozial zurück und trank vermehrt Alkohol, um die Geschehnisse zu vergessen (a.a.O.). Eine Dienstunfallmeldung erstattete der Kläger zunächst aber nicht (a.a.O.).

Im Mai 2017 zeigte er einen Dienstunfall bei seinem Dienstherrn an (a.a.O.). In Afghanistan habe er mehrfach über mehrere Wochen allein in der Unterkunft Dienst verrichten müssen (a.a.O.). In Verbindung mit den außergewöhnlichen Belastungen und als grenzüberschreitend empfundenem Verhalten von Kollegen habe er den Dienst in Afghanistan abbrechen und sich in ärztliche Behandlung begeben müssen (a.a.O.).

Hier wurde dann eine dienstbedingte Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) sowie eine mittelgradige depressive Episode mit Dienstbezug diagnostiziert (a.a.O.).

Die PTBS sei durch den Auslandseinsatz im Irak (2004-2006) durch die o.g. Beschusssituation ausgelöst worden. Im Rahmen des Auslandseinsatzes in Afghanistan (etwa 2016) sei eine Re-Traumatisierung erfolgt (a.a.O.). In deren Ergebnis habe sich die PTBS voll ausgebildet (a.a.O.). Die depressive Störung habe eine multifaktorielle Genese und nur teilweise dienstbezogenen Auslöser (a.a.O.)

Die Beklagte lehnte die Anerkennung der in Afghanistan (2013-2016) aufgetretenen Erkrankung sowie die Anerkennung der Ereignisse 2004 im Irak als Dienst- und Einsatzunfall und dadurch verursachte Körperschäden als Unfallfolgen ab (a.a.O.).

Das BVerwG bestätigte die vorgerichtlichen Bescheide des BND und lehnte die Klage als unbegründet ab (a.a.O.).

Ein Körperschaden sei als Dienstunfallfolge anzuerkennen, wenn er durch einen Dienstunfall verursacht worden ist und keine Unfallfürsorgeansprüche ausschließenden Umstände - insbesondere keine oder verfristete Unfallfolgenmeldung - gegeben seien (a.a.O.).

Das Merkmal "plötzlich" in der Legaldefinition des Dienstunfalls diene der Abgrenzung eines Einzelgeschehens von dauernden Einwirkungen und bedürfe der wertenden Betrachtung (a.a.O.). Erforderlich seien kurzzeitige Begebenheiten (a.a.O.). Sich über mehrere Tage hinziehende Ereignisse genügten regelmäßig nicht (a.a.O.). Psychische Erkrankungen würden in aller Regel nicht auf einem plötzlichen, örtlich und zeitlich bestimmbaren Ereignis in diesem Sinne beruhen (a.a.O.).

Der nach Auffassung des BVerwG hier gleichwohl denkbaren Anerkennung der Beschusssituation im Irak (2004) als Dienstunfall stünde wegen der bereits damals aufgetretenen (u.a. psychischen) Symptome die Versäumung der fristwahrenden Unfallmeldung (vgl. § 45 Abs. 1 und Abs. 2 BeamtVG) entgegen (a.a.O.).

Rechtliche Bewertung

Der vorliegende Sachverhalt und das Urteil des BVerwG belegt wieder einmal, wie wichtig bereits eine rechtzeitige, umfassende Meldung des Dienstunfalls sowie im Zweifel nachfolgend auch das ggf. rechtzeitige Beschreiten des Rechtswegs im Dienstunfallrecht der Beamten ist. So resultieren ggf. zahlreiche (u.a. finanziell relevante/bedeutsame) Leistungen i. S. d. Beamtenversorgungsrechts.

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