Beamtenrecht: Wirkt sich Mehrarbeit von Teilzeitbeschäftigten auf die Höhe der Versorgungsbezüge aus?
Matthias Wiese • 20. November 2023
Beamtenrecht: Wirkt sich Mehrarbeit von Teilzeitbeschäftigten auf die Höhe der Versorgungsbezüge aus?
Mit der Antwort auf diese Frage beschäftigt sich der nachfolgende Beitrag zu einer aktuellen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig (BVerwG, Urteil vom 9.11.2023, Az.: 2 C 12.22). Das BVerwG hat in dem oben genannten Urteil vom 9.11.2023 entschieden, dass maßgeblich für die Bestimmung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit allein die im Bescheid über die Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung festgesetzte Teilzeitquote sei, während eine darüber hinaus geleistete Mehr- oder Zuvielarbeit keinen Einfluss auf die Höhe der Versorgung habe (vergleiche BVerwG, Pressemitteilung Nr. 83/2023 vom 09.11.2023; s. a. FD-ArbR 2023, 460904, beck-online).
Sachverhalt zur Entscheidung des BVerwG
Der mittlerweile pensionierte Kläger war Berufsschullehrer in Baden-Württemberg und Anfang der 1990er Jahre jeweils für ca. ein Jahr in Teilzeit zunächst im Angestelltenverhältnis und anschließend im Beamtenverhältnis beschäftigt, bevor er im Beamtenverhältnis in Vollzeit eingesetzt wurde (a. a. O.). Rechtsmittel gegen die Teilzeitbeschäftigung hatte er nicht eingelegt (a. a. O.).
Der Kläger begehrte nun die Berücksichtigung seiner damals über die Teilzeitquote hinaus geleisteten Arbeitszeit bei der Festsetzung seiner Versorgungsbezüge (a. a. O.). Das Berufungsgericht hat der Klage (nach Klageabweisung in erster Instanz) stattgegeben, weil die Nichtberücksichtigung der tatsächlich geleisteten Mehrarbeit bei der Versorgung i. S. v. § 4 des Anhangs zu RL 97/81/EG eine unionsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten bewirke (vgl. VGH Mannheim Urt. v. 19.7.2022 – 4 S 1877/21, BeckRS 2022, 22824, beck-online).
Entscheidung des BVerwG
Dies hat das BVerwG nun auf die Revision des beklagten Landes anders gesehen und hat das klageabweisende erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt (vgl. BVerwG, a. a. O.). Zur Begründung hat das BVerwG insbesondere ausgeführt, dass Ausgangspunkt für die Festsetzung der Beamtenversorgung die durch gestaltenden Verwaltungsakt festgesetzte Teilzeitquote sei (a. a. O.). Mehrarbeit - die beamtenrechtlich vorrangig durch Freizeitausgleich zu kompensieren ist - werde dabei nicht berücksichtigt, unabhängig davon, ob der Beamte in Teilzeit oder Vollzeit beschäftigt ist (a. a. O.).
Diese Systematik begegne auch im Hinblick auf die Vorgaben des Unionsrechts aus Sicht des BVerwG keinen Bedenken (a. a. O.). Werde das Instrument der Mehrarbeit rechtswidrig als verdeckte Arbeitszeitregelung eingesetzt, müsse der Beamte den aus seiner Sicht unzutreffenden Teilzeitbewilligungsbescheid angreifen (a. a. O.). Die Rechtswidrigkeit einer "antragslosen Zwangsteilzeit" für Lehrer war im Zeitpunkt der Teilzeitbeschäftigung des Klägers bereits geklärt - und von zahlreichen Beamten mit Rechtsmitteln angegriffen, sodass hiermit jedenfalls keine unzumutbaren Anforderungen verbunden gewesen seien (a. a. O.). Nehme ein Beamter die Teilzeitbeschäftigung gleichwohl hin, sei die festgesetzte Teilzeitquote wirksam und dann auch für die Festsetzung der Versorgungshöhe maßgeblich (a. a. O.).
Rechtliche Bewertung
Die Entscheidung des BVerwG belegt (einmal mehr) wie wichtig es gerade auch beamtenrechtlich ist, im Zweifel fristwahrend/unverzüglich Rechtsschutz zu ergreifen. Dies gilt beispielsweise auch i. Zshg. mit ggf. missbräuchlicher Teilzeitbeschäftigung bei gleichzeitiger Anordnung von Mehr- oder Zuvielarbeit.
Soweit das BVerwG offenbar darauf abstellt, dass auch bei vollzeitbeschäftigten Beamten eine Mehr- oder Zuvielarbeit grds. keinen Einfluss auf die Versorgungshöhe hat, weshalb sich auch unionsrechtlich keine Diskriminierung/Ungleichbehandlung aufgrund der Teilzeit erschließt, kann dem durchaus entgegengehalten werden, dass dies für vollzeitbeschäftigte Beamte erst bei Mehr- oder Zuvielarbeit oberhalb der Beschäftigungsquote 100 % (also für die „originäre“ Mehrarbeit) gilt. Auf der anderen S. ist dem BVerwG natürlich dahingehend zuzustimmen, dass grundsätzlich auch die jeweiligen Bescheide zur Festsetzung der (Teilzeit-) Beschäftigungsquote (u. U. sogar noch nach etwaiger Bestandskraft) angegriffen werden können.
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Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat am 7.3.2024 im Falle eines wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Polizeibeamten im Saarland entschieden, dass die finanzielle Abgeltung der von ihm geleisteten Mehrarbeit (im Umfang von 205 Mehrarbeitsstunden) nach § 78 Abs. 3 SBG nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist.

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