Verjähren Ansprüche auf Urlaub automatisch?
Matthias Wiese • 8. März 2023
Der Wiese und Kollegen Rechtsanwälte in Erfurt Blog heute zum Thema:
Verjähren Urlaubsansprüche automatisch?
Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat mit Urteil vom 20.12.2022 im Ergebnis der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 22.9.2022 (EuGH, Az. - C-120/21 -) beantwortet.
Das BAG hat entschieden, dass Urlaubsansprüche von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland grundsätzlich nicht automatisch verjähren können (vgl. BAG, U. v. 20.12.2022, Az.: 9 AZR 266/20; BAG-Pressemitteilung 48/22 - Verjährung von Urlaubsansprüchen v. 20.2.2022)
Entscheidung des BAG und Verfahrensgang
Der Beklagte hatte die Klägerin zwischen November 1996 und Juli 2017 als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin beschäftigt (a. a. O.). Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte er an sie zur Abgeltung von 14 Urlaubstagen 3.201,38 Euro brutto und kam damit der weitergehenden Forderung der Klägerin, Urlaub im Umfang von 101 Arbeitstagen aus den Vorjahren abzugelten, nicht nach (a. a. O.).
Nachdem das Arbeitsgericht die im Februar 2018 eingereichte Klage insoweit abgewiesen hatte, sprach das Landesarbeitsgericht der Klägerin 17.376,64 Euro brutto zur Abgeltung weiterer 76 Arbeitstage zu (a. a. O.). Das Landesarbeitsgericht hielt den Verjährungseinwand des Beklagten für nicht durchgreifend (a. a. O.).
Auch die Revision des Beklagten hatte vor dem BAG nun keinen Erfolg (a. a. O.). Zwar fänden nach Auffassung des BAG die Vorschriften über die Verjährung (hier §§ 214 Abs. 1, 194 Abs. 1 BGB) auch auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung (a. a. O.). Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginne aber bei richtlinienkonformer Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen habe (a. a. O.).
Damit setzte das BAG die Vorgaben der Vorabentscheidung des EuGH vom 22.09.2022 (- C-120/21 -) um, wonach der Zweck der Verjährungsvorschriften (die Gewährleistung von Rechtssicherheit) in der vorliegenden Fallkonstellation hinter dem Ziel von Art. 31 Abs. 2 EU-GRCh zurücktrete, die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme zu schützen (a. a. O.). Die Gewährleistung von Rechtssicherheit dürfe demnach nicht als Vorwand dafür dienen, dem Arbeitgeber zu ermöglichen, sich auf das eigene Versäumnis zu berufen, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben (a. a. O.). Der Arbeitgeber könne Rechtssicherheit dadurch gewährleisten, dass er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachhole (a. a. O.).
Bewertung
Die Auswirkungen der Entscheidung des BAG erscheinen erheblich. Hierbei wird nun u.a. abzuwarten sein, ob an den Arbeitsgerichten zahlreiche Klagen zu rückständigen Urlaubs-/Abgeltungsansprüchen aus der Vergangenheit (auch aus ggf. bereits längere Zeit beendeten Arbeitsverhältnissen) eingehen. Innerhalb solcher Verfahren stellen sich dann allerdings neben der Frage der evtl. Verjährung regelmäßig weitere Fragen (insbesondere zu Verfallfristen und auch zu etwaiger Verwirkung). Insgesamt ist betroffenen Arbeitnehmern daher weiterhin zu raten, etwaige Ansprüche zeitnah schriftlich geltend zu machen und ggf. gerichtlich einzufordern.
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